Das CMbB steht vor der Herausforderung eines kontinuierlich grösser werdenden Spagats zwischen Gegenwart (Cloudspeicher) und Vergangenheit (Floppies, Tonbänder, etc.), wenn Software und Daten aus Archiven im Internet auf Originalgeräte zurückgeholt oder vom Original in einen Cloudspeicher gesichert werden sollen. Hierzu ist es erforderlich, dass man in einem Rechner der späten 1990er Jahre "noch" ein 5.25 Zoll-Laufwerk betreiben und "schon" mit USB-Speichermedien und 10 MBit Netzwerk arbeiten kann, "noch" eine DOS-Umgebung und "schon" eine grafische Benutzeroberfläche mit sehr vielen vorinstallierten Hardwaretreibern vorfindet. Für viele Peripheriegeräte findet man ergänzend in Softwarearchiven im Internet kompatible Treiber. Genau diese Mischung an Funktionalität findet sich im ehemals unbeliebten WinME.
Windows Millennium Edition - WinME - wurde, wenn man zahlreiche Kommentare im Netz mit jenen von Zeitzeugen abgleicht, als das "schlechteste Windows aller Zeiten" eingestuft. Quellen, u.a. Microsoft-interne, berichten, dieses Betriebssystem hätte es eigentlich nie geben sollen. Das erscheint glaubwürdig. Zur Zeit von ME - ca. 1999 - gab es bereits einige Jahre Windows NT (New Technology), das im Gegensatz zu den vorher erschienen Microsoft (MS) Betriebssystemen (operating system, OS) nicht auf dem "quick & dirty OS" QDOS, später MS-DOS (MS disc operating system), aufbaute.
Heutige (2025) Windows-Versionen ab Windows XP sind seither NT-basiert. Das erste wirklich produktive Windows war aus unserer Sicht Win95, während die Vorgängerversionen merklich als DOS-Programme imponierten, kommandozeilenorientiert, mit lediglich rudimentärer grafischer Bedienbarkeit (Maus, Vektorgrafik). Ein reiner DOS-Modus gehörte zum Standard und bot Zeichen-/Pixelgrafik.
Zur Zeit von Win95 startete bereits eine erste Welle von Computernostalgie: Ehemalige, in den 1990er Jahren obsolet werdende Heimcomputer wurden durch Emulatoren und Transfersoftware gern auf den weit verbreiteten Windows-PCs virtualisiert. Viele Heimcomputer standen zu dieser Zeit noch funktionstüchtig zur Verfügung, und zahlreiche Hobbyprogrammierer verewigten Ihre Fähigkeiten, Wissen und digitale Information in Form von Emulationen (lat. aemulare = nachahmen). MS-DOS mit seinem "low-level" Hardwarezugang und Ressourcensparsamkeit war hierzu gut geeignet, und es lag Windows 95 und 98 zugrunde. Büroanwender gewöhnten sich an die Windows 95-Oberfläche und Microsoft Office, während viele Emulator-Entwickler im gleichen Betriebssystem weiter auf der DOS-Kommandozeile unterwegs waren. Viele DOS-Programme, auch Emulatoren, liessen sich zudem im "MS-DOS-Modus" direkt in der grafischen Win95-Oberfläche ausführen, was die Nutzung besonders für Neueinsteiger vereinfachte. Wurde der reine und hardwarenahe MS-DOS-Modus verwendet, standen die Systemressourcen fast vollumfänglich der Emulation zur Verfügung.
Mit Windows NT - prinzipiell inkompatibel mit DOS - war auf dieser niedrigen Emulationsebene zunächst weniger anzufangen bzw. nur zum Preis einer hohen Ressourcenbelegung. Ausserdem kannten die Emulator-Entwickler DOS sehr gut und hatten passende PCs zur Hand, während NT leistungsstärkere Computer benötigte, die viele Bastler nicht besassen. Windows NT war in der Geschäftswelt aufgrund seines Mehrbenutzermanagements erfolgreich, während die Heimnutzung dieses nicht benötigte. Der Ressourcenhunger von NT war beim Heimanwender ebenfalls unerwünscht.
Schliesslich brachte Microsoft einen Teil der Funktionalität aus dem NT-Bereich, v.a. zahlreiche Hardwaretreiber und Netzwerk-Werkzeuge, in ein letztes MS-DOS-basiertes Windows ein, das Windows ME getauft wurde. Diese letzte, modernste Form von MS-DOS wurde gut versteckt und kann nur durch Modifikation einiger Systemdateien wieder zugänglich gemacht werden.
Zurück zu den Problemen bei uns im Museum. Wie eingangs beschrieben hat ein Betriebssystem, das es eigentlich nicht hätte geben sollen, bei uns nun endlich eine seine Daseinsberechtigung gefunden: Auf einem IBM ThinkPad 390 sowie auf einem Acorn/Acer Server aus den späten 1990er Jahren läuft nun im CMbB WinME.
Der Startbildschirm, der gemäss Internet-Archiv (https://archive.org/details/WINME_LOGOSYS) mit einer ausführbaren Datei erzeugt wird, erscheint leider beim Umfunktionieren von WinME auf reinen DOS-Betrieb nicht mehr.
Auf diesem Laptop laufen so zahlreiche DOS- und Windows-Transferprogramme, wie TeleDisk, rawrite, rawread, StarCommander, 22nice, AP2222PC, HFVExplorer, cpdr, cpdw, LL3 und viele andere mehr. Ferner läuft im DOS-Modus ein 68K Mac Emulator mit Floppy-Hardwareemulation. Die Boot-Auswahl wurde aktiviert, und das System läuft von einer CF-Karte mit IDE-Festplattenadapter. Nach dem Einschalten kann man auswählen, ob man direkt WinME, DOS mit oder DOS ohne CD-Treiber starten möchte. In DOS kann mit "win" WinME und mit "mac" der FUSION Mac Emulator gestartet werden.
Der Laptop hat einen Parallelport zum Anschluss von Commodore-Floppy-Laufwerken, Apple][, eine RS232-Schnittstelle, 2 PCMCIA-Schächte für Netzwerk und SD-Kartenadapter, und einen USB1-Port für Speichermedien. Eine onboard Soundkarte ist vorhanden zur Nutzung als Tonband-Emulation. Schliesslich ist auch ein 3.5 Zoll Floppylaufwerk und ein CD-ROM-Laufwerk vorhanden, wobei letzteres auch wiederbeschreibbare CD-ROMs lesen kann. Die verbaute PS/2 Maus "roter IBM-Knopf" funktioniert mit dem ctmouse driver auch unter DOS sowie im Mac-Emulator einwandfrei. Der Mac-Emulator kann eine Vielzahl von Apple-Floppy-Formaten lesen und schreiben. Für Notfälle kann die CF-Karte mit Daten und OS entnommen und mit modernen Systemen wieder in Ordnung gebracht werden, ohne auch nur eine einzige Schraube lösen zu müssen. Mit WinME als Betriebssystem und "Spagat-Hardware" wird dieser Computer zum Schweizer Taschenmesser des Datentransfers über viele Rechnergenerationen hinweg.
CF-Karte auf Pappkarte als IDE-Festplatte
im Festplattenschacht
"schon" USB 1
"noch" Parallelport