ColoBâle/CMbB
Beim Herumstöbern im Museum habe ich ganz oben, zu hinterst in einem Regal plötzlich grosse blaue Dinger entdeckt, ungefähr 20 Stück. Sofort habe ich gewusst, was ich da für einen Schatz gefunden habe: Die allerersten Wechselfestplatten, die es für den PC gegeben hat, so gross wie ein A4 Blatt. 8 Zoll mit 20 MB.
Sie sind von der Firma Iomega. Die allerersten Wechselfestplatten hatten eine Kapazität von 10 MB, dann 20 MB. Sie wurden 1982 auf den Markt gebracht und wurden von IOMEGA «Bernoulli Wechselfestplatte» genannt. Für den Mac gab es dann 1985 noch eine spezielle Version mit 5 MB 5¼ Zoll. Darüber habe ich aber keinerlei Dokumentation gefunden.
IOMEGA wurde 1980 in USA gegründet. Sie war vor allem bekannt für ihre ZIP Laufwerke, hat aber viele andere Produkte herausgebracht. Nach und nach hat sie alle ihre Konkurrenten aufgekauft, u.a. auch SyQuest. 2013 wurde sie dann aber selber übernommen, von Lenovo.
Zwar gab es damals schon Festplatten und Disketten. Diese Festplatten hatten eine Kapazität von 10 bis 30 MB. Was den Firmen fehlte war eine (grosse) Festplatte, die man herausnehmen kann und zwecks Datentransfer an eine (Schwester) Firma schicken konnte. Und das war nun möglich mit dieser Wechselfestplatte. Darüber hinaus konnte man die Kapazität beliebig erweitern durch den Zukauf weiterer Disks.
Allerdings war das eine teure Sache und nicht für den privaten Verbraucher gedacht. Das Laufwerk «Bernoulli Box I» kostete je nach Quelle 1600 – 2600 $, der Controller 280 $, eine Disk 140 $. Es gab zu dieser Zeit natürlich schon Disketten, aber deren Kapazität war um eine Grössenordnung kleiner (max. 1.4 MB). Zudem liegt bei einer Diskette der Lesekopf direkt auf der Oberfläche, was auf die Dauer das Speichermedium abnützt.
Im Prinzip gleichen diese Disks mehr einer Diskette als einer Festplatte. Jedoch schwebt der Lesekopf über der Platte, durch eine hauchdünne Luftschicht getrennt, was durch den sog. Bernoulli-Effekt bewirkt wird. (Das schützt vor einem Headcrash, wenn der Kopf die Platte berührt und meist zerstört.) Benannt ist dieser Effekt nach dem Forscher Daniel Bernoulli, der hier bei uns in Basel gelebt und geforscht hat (1700-1782). Deshalb ist es eine besondere Ehre für unser Museum, dass wir diese nach ihm benannten und nach seinem Prinzip funktionierenden Laufwerke in unserer Ausstellung zeigen können.
Ich habe gewusst, dass es dazu grosse, schwere Laufwerke gibt. Ich habe überall danach gesucht, aber keines gefunden. Deshalb habe ich die anderen Museums Mitglieder angesprochen, und siehe da, bald darauf stand ein solches Laufwerk an meinem Arbeitsplatz. Jemand hatte es im Museum gefunden. Ein Mega Ding, 5 kg schwer.
Dann das erste Einschalten: Kein Kurzschluss, der Ventilator läuft. Allerdings sollte bei einer eingelegten Disk diese aufstarten und vorne sollten die grünen LEDs leuchten. Tat sich aber gar nichts in dieser Beziehung. Also habe ich das Gerät auseinander geschraubt. Im Innern war keinerlei Verunreinigung zu entdecken. Im Gegenteil, man konnte meinen, ich hätte das Gerät gestern gekauft. Alles war in 1A Zustand.
Vom Netzgerät geht ein Molex 4-Pol Stecker auf die Laufwerke. Molex Stecker habe ich ja auch an meinen alten Computern. Da kommt mir die Idee, das Laufwerk direkt an meinen Computer anzustecken.: Es hat gescheppert, gerumpelt, geknackst ... aber es tat sich wenigstens etwas. Jetzt war mir klar, es musste etwas mit der Stromversorgung zu tun haben. Also, alles wieder zusammengebaut, und … oh Wunder...alles läuft. Warum auf einmal...weiss ich auch nicht. Eventuell haben die Kondensatoren mit der Zeit etwas an Kapazität verloren und sind jetzt wieder auf Touren gekommen.
Jetzt kam aber die nächste Herausforderung: Das Laufwerk ist SCSI, aber eine alte Version, d.h. es braucht dazu einen speziellen Controller und ein spezielles Kabel. Das habe ich zum Glück alles auf Ebay gefunden. Dann braucht es dazu ja noch die Software, einen DOS Treiber. Einen solchen zu finden, das hat schon länger gedauert. War nicht einfach! Dann der grosse Moment: Das Installieren der Treiber Software. Das ging ohne Schwierigkeiten.
Aber nun gab es wieder neue Probleme. Manchmal wird das Laufwerk beim Aufstarten erkannt, manchmal nicht. Wieso? Nach langem Probieren habe ich endlich das richtige Vorgehen herausgefunden: Zuerst das Laufwerk mit dem Schalter auf der Rückseite einschalten, der Ventilator beginnt zu laufen. Dann die Platten einschieben. Eine oder zwei. Die grüne LED an der Front beginnt zu blinken. Nach einer gewissen Zeit brennt sie dauernd.
Nun – und das ist der entscheidende Punkt - muss man warten, bis das grüne LED erlischt. Erst jetzt darf man den PC aufstarten. Dann wird das Laufwerk immer erkannt und unter DOS erscheinen zwei neue Laufwerke, D: und E:. Man könnte also die Platten auslesen und formatieren. Die Software dazu ist ausgezeichnet. Aber leider geht beides nicht. Alle ca. 20 Platten werden zwar erkannt, können aber nicht gelesen und beschrieben werden. Auch neues Formatieren geht nicht, der Vorgang bricht nach einer gewissen Zeit ab. Ich vermute stark, dass die Disks mit einer speziellen Software oder mit einem uralten Betriebssystem formatiert wurden. Zu dieser Zeit steckte DOS noch in den Kinderschuhen.
Das Laufwerk wurde auch für OS/2, Xenix und Unix angeboten. Es brauchte aber dafür spezielle Treiber.
Die Bernoulli Box I wurde mit der Zeit noch erweitert. Und zwar wurde zusätzlich noch eine Festplatte von 80 MB eingebaut. Das Ganze benannte sich dann «Bernoulli Plus». Wie das ausgesehen hat und wie das funktioniert hat weiss ich nicht. Ich habe aber dazu einen Artikel gefunden.
MÜNCHEN (CW) – Eine 80-MB-Festplatte kombiniert die “Bernoulli Box Plus” von lomega mit zwei Wechselplatten-Laufwerken zu je 20 Megabyte. Das Gerät ist zum Anschluß an PC XT/AT konzipiert, eignet sich aber auch im Zusammenhang mit LANs von IBM oder Novell.
Im Lieferumfang ist das Dateimanagement-System Q-DOS enthalten, das die bei PC unter MS-DOS oder PC-DOS übliche Grenze von 30 Megabyte sprengt. Auch eine PC-Erweiterungs-Steckkarte mit SCSI-Interface wird mitgeliefert.
Die mittlere Zugriffszeit der stoßsicher aufgehängten Festplatte gibt Iomega mit 30 Millisekunden an, diejenigen der beiden Acht-Zoll-Bernoulli-Disketten mit 35 Millisekunden. Als mittlere Zeit zwischen zwei Ausfällen (MTBF) nennt der Hersteller 8000 Betriebsstunden. Eine 5-?-Version der Diskette sei in Vorbereitung, teilte der europäische lomega-Chef Terry Moritz mit.
Die “Bernoulli Box Plus” wird in Deutschland über das Systemhaus Adcomp vertrieben und kostet etwas über 20 000 Mark. Der Preis einer 20-MB-Bernoulli- Wechselplatte liegt bei 330 Mark.
Jetzt kann ich nur hoffen, dass ich irgendwie einmal (neue) bessere Disks 20-MB finde. Diese sind aber extrem selten. 10-MB-Disks gibt es hingegen ganz viele. Sogar noch original verpackt. Sie können zwar mit dem 20-MB-Laufwerk gelesen, aber nicht beschrieben werden.
Wenn das soweit ist, gibt es eine Fortsetzung.
Hier noch einige Links zur Bernoulli Box I
IomegaBernoulli-OwnersManual.pdf
1987 brachte Iomega das Nachfolge Modell auf den Markt, Bernoulli Box II. Der Artikel hierzu wird zur Zeit vorbereitet.